“Die Galaktischen” kämpfen um ihren Ruf

Soeben wurde Real Madrid zum finanzstärksten Fußballclub der Welt gekürt. Doch der spanische Rekordmeister ist dabei, seine Zukunft zu verspielen

Am Ende mußte gar ein Toter herhalten. In den Tagen nach der schmachvollen 1:6-Niederlage bei Real Saragossa im Hinspiel des Halbfinales um den spanischen Pokal Copa del Rey beschwor Real Madrid in einer beispiellosen PR-Aktion den Geist seines ehemaligen Spielers Juan “Juanito” Gómez. Dieser hatte seinen Verein mehrfach aus einer schier aussichtslosen Lage gerettet. So zum Beispiel 1985 im Uefa-Pokal-Rückspiel gegen Borussia Mönchengladbach, als er in der Schlußminute zum 4:0 traf und damit die 1:5-Hinspielniederlage wettmachte. “Wir werden elf Juanitos sein”, versprach Verteidiger Sergio Ramos am Dienstag vor dem Rückspiel gegen Saragossa den Lesern der Sportzeitung “Marca”.

Sie gaben wirklich alles. Doch als der Schiedsrichter am Ende beim Stand von 4:0 abpfiff, fehlte den Madrilenen ein entscheidendes Tor für den Einzug ins Finale. Es reichte wieder einmal nicht für eine Mannschaft, die viel Geld mit dem Mythos verdient, die beste der Welt zu sein, aber seit 2003 keinen Titel geholt hat. Mittelfristig steht sogar das Geschäftsmodell des Vereins auf dem Spiel.

Denn auch finanziell steht und fällt Real mit seiner Außenwirkung. “Das Ziel ist nicht, nur zu gewinnen. Wir wollen eine Show bieten”, sagt Florentino Pérez. Der Mann hat Real Madrid zu dem gemacht, was der Klub heute ist: ein Unterhaltungsunternehmen, das laut der Kölner Agentur Sport und Markt weltweit mehr als 260 Millionen Fans hat. Als der Chef des spanischen Baukonzerns ACS im Jahr 2000 Präsident bei Real wurde, übernahm er einen völlig verschuldeten Verein, der hilflos auf seine große Geschichte pochte: achtmal Gewinner des Europapokals der Landesmeister, 27mal spanischer Meister.

Mittlerweile sieht das ganz anders aus. In der laufenden Spielzeit verfügen die Madrilenen über ein Budget von fast 300 Millionen Euro. Damit ist der Club das umsatzstärkste Fußballteam überhaupt. Um dorthin zu gelangen, krempelte Pérez das Geschäftsmodell auf die Vermarktung medientauglicher Stars um und kaufte ein. Luís Figo, Zinedine Zidane, Ronaldo. 2003 schließlich gelang ihm der Coup: Die Sport- und Modeikone David Beckham kam für 34 Millionen Euro nach Madrid.

“Wir wollten weder an die Börse gehen noch einen privaten Investor holen”, sagt Marketingdirektor José Angel Sánchez Periáñez. “Real Madrid sollte der Club seiner 85 000 Mitglieder bleiben, die jedes Wochenende ins Stadion kommen. Und trotzdem wollten wir sportlich zu den besten gehören.” Die einzige Chance sei deshalb, jedes Jahr die mindestens 100 Millionen Euro zu verdienen, die andere große Clubs für Ablösesummen ausgeben – und mitzubieten. Dafür kann der Medienrummel nach dem Credo der Madrilenen kaum groß genug sein.

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Der finanzielle Erfolg der teuren Transfers machte Pérez zunächst gegen Kritik immun. Nicht nur, daß Real Madrid bereits am Tag der Verpflichtung des Briten 8000 Beckham-Shirts für je 62 bis 78 Euro verkaufte. Der taiwanisch-deutsche Handy-Bauer BenQ-Siemens zahlt ab Herbst pro Saison etwa 20 Millionen Euro, damit das “Los Galácticos” genannte Team mit dem Logo des Unternehmens auf den Trikots aufläuft. Und wann und wo immer seine Mitglieder außerhalb des Spielfelds Werbung machen, fließen 50 Prozent der Einnahmen an den Klub. So hat es Pérez seinen Spielern abverhandelt.

1954 paßten 125 000 Zuschauer ins Santiago-Bernabéu-Stadion im Stadtzentrum, die im Alleingang für alle Einnahmen des Vereins sorgten. Heute machen die Tickets gerade noch 26 Prozent des Umsatzes aus, die Vermietung der VIP-Zone inbegriffen. Das Marketing bringt 45 Prozent. Rund 135 Millionen Euro sollen es in der laufenden Saison werden.

Je schlechter Madrid spielt, desto wackliger werden allerdings solche Prognosen. Denn nach dem tragischen Aus im Wettbewerb um den Copa del Rey birgt nur noch die Champions League die Chance auf einen Titel in dieser Saison. In der spanischen Liga Primera División läuft Real Madrid einmal mehr dem Favoriten Barcelona hinterher. Mit sieben Punkten Vorsprung kann der Hauptstadtklub die Katalanen nur noch mit äußerst viel Glück einholen.

Finanziell hat sich der sportliche Mißerfolg der Madrilenen bisher nicht negativ ausgewirkt. Doch das ist selbst nach Ansicht von Real-Marketingchef Sánchez Periáñez nur eine Frage der Zeit. “Wenn wir verlieren, hat das Folgen für das Geschäft, nicht kurz-, aber sicher mittelfristig.” Geschäftsführer Carlos de Albornoz gibt dem Klub höchstens sechs Jahre, die er in seiner jetzigen Form noch durchhalten könne.

Die außerhalb Spaniens lebenden Fans, mit denen Real Madrid das meiste Geld verdiene, zehrten länger vom Mythos des Vereins als die lokalen Anhänger, sagt José Luis Nueno, Professor an der spanischen Business-School IESE. Aber auch die würden sich enttäuscht abwenden, wenn sie bemerkten, daß Real im eigenen Land an Ansehen verliere. “Gefährlich für die Klubführung sind die spanischen Fans”, sagt Nueno. “Die verzeihen keine Fehler.”

Sein Wahn, aus Werbegründen fast ausschließlich Stürmerstars einzukaufen, die die horrenden Ablösesummen über Werbung möglichst bald wieder einbringen, habe Pérez ein wichtiges Detail vergessen lassen, sagen Kritiker. “Ein Heer von Spitzenfußballern macht noch keine Spitzenmannschaft”, sagt David Allen, Sportmarketing-Experte an der IESE.

Und Pérez’ Marketingoffensive ist noch nicht zu Ende. Auf einer 120 Hektar großen Fläche unweit des Madrider Flughafens entsteht die Sportstadt Real Madrid mit Trainingsflächen, Stadion für die B-Mannschaft, Kongreßzentrum, Vergnügungspark, Einkaufsmeile, Konzertsälen und Hotels. “Dort wird die Marke zu Hause sein”, schwärmt Marketing-Chef Sánchez Periáñez. “Besucher können dort ein ganzes Wochenende verbringen und sich unterhalten lassen.” Real Madrid als Disneyland. Beckham und Ronaldo als Mickey Mouse und Donald Duck des dritten Jahrtausends. Kaum etwas verdeutlicht den Wandel des 1902 gegründeten Traditionsvereins so sehr wie diese Idee des Baumeisters Florentino Pérez.

Pérez und seine Leute hätten die Seele des Vereins an den Teufel Marketing verkauft, schimpfen dagegen die Fans. Mit all dem Geld habe man nur Arroganz und Größenwahn eingekauft. Solche Kritik macht Sánchez Periáñez wütend. “Demagogie von Leuten, die keinerlei Verantwortung tragen”, regt er sich auf. “Wenn es der Verkauf der Seele ist, die besten Spieler unter Vertrag zu nehmen, sollen wir dann schlechte holen? Das würde uns erst recht ruinieren.”

 

José Luis Nueno opinion citation in Karin Finkenzeller’s article published in WeltOnline, February 2006

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